Gustav Nottebohm – Beethoveniana – XXVI – Metronomische Bezeichnungen. (Seite 126)

Aufsätze und Mittheilungen von Gustav Nottebohm
Leipzig, Verlag von C. F. Peters 1872

Als im Jahre 1815 der Mechaniker Johann Nepomuk Mälzel mit seinem verbesserten Taktmesser, dem Metronom, hervortrat, war Beethoven für dessen Einführung und Verbreitung thätig. Er erklärte sich nicht nur bereit, fortan das Zeitmass seiner Compositionen nach Mälzel’s metronomischer Scala zu bestimmen 1*), und versah auch wirklich einen Theil der bis dahin erschienenen Werke und fast alle in den Jahren 1817 und 1818 geschriebene Compositionen mit metronomischen Bezeichnungen, sondern er empfahl den Metronom sogar zum Gebrauch beim Unterricht 2*). Dass Beethoven noch in den letzten Jahren seines Lebens Werth auf eine metronomische Tempobezeichnung legte, kann man aus einem Briefe sehen, den er im December 1826 an den Verleger Schott schrieb, und worin es u. a. heisst: »Die Metronomisirung (der Messe) folgt nächstens. Warten Sie ja darauf. In unserm Jahrhundert ist dergleichen sicher nöthig; auch habe ich Briefe aus Berlin, dass die erste Aufführung der (neunten) Symphonie mit enthusiastischem Beifall vor sich gegangen ist, welches ich grossentheils der Metronomisirung zuschreibe«. Beethoven’s Bemühungen um eine metronomische Tempo-Bezeichnung seiner Werke sind nun namentlich durch Schindler in ein falsches Licht gebracht worden. Von dem, was Schindler vorbringt, kann Einiges wahr sein; aber auch nur Einiges. Das Meiste davon ist unwahr und auf so lockerem Grunde gebaut, dass man veranlasst wird, das Wenige, das wahr sein kann, nur mit Vorsicht aufzunehmen. Schindler sagt (Biographie, 3. Aufl., Th. II, S. 249), dass Mälzel zweierlei verschieden construirte Metronome angefertigt habe, welche bei gleichen Zahlen verschiedene Tempi angeben; dass ein Metronom von der ersten oder grösseren Construction, welcher z. B. auf 60 gestellt werde, langsamer schwinge, als ein auf die gleiche Zahl gestellter Metronom von der zweiten oder kleineren Construction. Diese Behauptung ist unrichtig. Die Mälzel’schen Metronome, mögen sie nun klein oder gross oder wie immer sein, sind alle nach einem und demselben System gebaut. Dieses System besteht darin, dass die Eintheilung der metronomischen Scala auf die Theilung einer Minute begründet ist, d. h. dass die Maschine in einer Minute genau so viel Schläge macht, als die Zahl angiebt, auf welche der Pendel gestellt wird 3*). Macht er mehr oder weniger Schläge, so geht er nicht richtig, oder es ist kein Mälzel’scher Metronom. Wenn also nun Schindler weiter sagt, die metronomischen Tempo-Bestimmungen bei Beethoven’schen Werken seien theils nach der »langsamer«, theils nach der »schneller« schlagenden Maschine gemacht, und dass in Folge dessen »die Tempi sich nicht mehr genau bestimmen liessen ohne Beisatz, nach welcher der beiden Constructionen die Metronomisirung stattgefunden«: so zerfällt eine solche Behauptung ganz in sich selbst. Schindler führt als Beispiel »die im 3. Jahrzehend bei Steiner u. Comp. erschienene Partitur von der A-dur-Symphonie« an, welche »metronomische Tempo-Bestimmungen von des Autors Hand« enthalte, die »durchweg langsamer« seien, als andere aus früherer Zeit. Nun, eine solche Partitur hat es nicht gegeben. Bei Steiner u. Comp. erschien von der A-dur-Symphonie nur eine Partitur. Sie erschien im Jahre 1816, und hat keine metronomische Bezeichnungen. Als diese Partitur vergriffen war, veranstaltete T. Haslinger eine neue oder zweite Ausgabe. Diese erschien im Jahre 1831 4*); sie hat metronomische Bezeichnungen, die aber nicht von Beethoven herrühren und, nach Schindler’s Worten, desshalb nicht von ihm herrühren können, weil sie nicht durchweg langsamer, sondern zum Theil schneller sind, als die anderen aus früherer Zeit. Zu solchen Unrichtigkeiten gesellt sich noch ein Widerspruch. S. 250 sagt Schindler: »In der That finden sich nur zwei Werke von ihm (Beethoven) selber metronomisirt, und zwar die grosse Sonate Op. 106, dann noch die neunte Symphonie« — und eine Seite früher heisst es, die metronomische Bezeichnung der ersten acht Symphonien sei von Beethoven gemacht 5*). Schindler erzählt nun, wie Beethoven veranlasst worden , die schon einmal metronomisirte neunte Symphonie ein zweites Mal zu metronomisiren, und dass er, als er Abweichungen zwischen beiden Aufnahmen bemerkt, voll Unwillen ausgerufen habe: »Gar kein Metronom! Wer richtiges Gefühl hat, braucht ihn nicht, und wer das nicht hat, dem nützt er nichts, der läuft doch mit dem ganzen Orchester davon!« Dass das Resultat der zweiten Metronomisirung ein anderes war, als das der ersten, ist glaublich und wahrscheinlich; jedoch kann bei sorgsamer Aufnahme der Unterschied nicht gross gewesen sein. Auch den Beethoven in den Mund gelegten Worten, in ihrem Zusammenhang genommen, lässt sich wenig oder nichts entgegensetzen. Wenn man aber daraus den Schluss ziehen wollte, Beethoven habe sich damit gegen jede Metronomisirung erklärt : so würde man durch die blosse Thatsache widerlegt werden, dass Beethoven noch acht Tage vor seinem Tode, also jedenfalls eine ziemliche Zeit später, als jene Aeusserung geschehen sein kann, eine metronomische Bezeichnung der neunten Symphonie nach London schickte 6*).

Gewiss, wer kein Gefühl hat, dem hilft kein Metronom, und dem hilft auch manches Andere nicht. Der Metronom hat es nicht mit dem Gefühl zu thun. Der Metronom ist nur ein Hülfsmittel zur Sicherstellung eines vom Componisten gedachten Tempos. Subjective und geistige Auffassung eines Tonstücks, Nüancirungen in der Bewegung, auf den rhythmischen Bau eines Tonstücks begründete Abweichungen vom absoluten oder normalen Zeitmass u. dgl. können nicht von einem seelenlosen Schlagwerk abhängig gemacht, noch weniger dadurch bestimmt werden. Beethoven hat sich selbst über die begrenzte Sphäre des Metronoms ausgesprochen. In einem im Jahre 1817 an Mosel geschriebenen Briefe heisst es u. a.: »Was mich angeht, so habe ich schon lange darauf gedacht, diese widersinnigen Benennungen: Allegro, Andante, Adagio, Presto aufzugeben; Mälzel’s Metronom giebt uns hiezu die beste Gelegenheit. Ein Anderes ist es mit den den Charakter des Stückes bezeichnenden Wörtern; solche können wir nicht aufgeben, da der Takt eigentlich mehr der Körper ist, diese aber schon selbst Bezug auf den Geist des Stückes haben« 7*). Was man gegen den Metronom geltend machen kann, das ist die Unverträglichkeit seiner gleichen Schläge mit eigentlich musikalischem Takt, und die daraus erwachsende Schwierigkeit, das Tempo einer Composition nach einer gleichmäßig fortschlagenden Maschine zu bestimmen. Es sind bekannte Erscheinungen, dass es schwer ist, ein Stück durchweg nach einem schlagenden Metronom im Takte zu spielen, und dass wiederholt und zu verschiedener Zeit vorgenommene Metronomisirungen eines Stückes selten ganz übereinstimmen. In diesen Erscheinungen mögen manche Einwendungen, die man gegen den Metronom machen kann und die zum Theil auch Schindler macht, begründet sein. Alle Einwendungen können uns aber nicht so weit führen, dass wir mit Schindler von »des Meisters geringer Werthschätzung des Metronoms« überzeugt werden und uns »vor allen Metronomisirungen warnen« lassen 8*). Im Gegentheil, wir lassen uns die Meinung nicht nehmen, dass Beethoven den Metronom nicht unter-, aber auch nicht überschätzte, und dass die von ihm herrührenden metronomischen Bezeichnungen der Erhaltung und einiger Beachtung werth sind.

Wir wollen nun die Werke namhaft machen, welche Beethoven mit metronomischer Bezeichnung versehen hat.

Im Jahre 1817 erschien bei S. A. Steiner u. Comp. in Wien ein kleines Heft unter dem Titel: »Bestimmung des musikalischen Zeitmasses nach Mälzel’s Metronom. Erste Lieferung. Beethoven. Sinfonien Nr. 1—8 und Septett von dem Autor selbst bezeichnet«. (Verlagsnummer: 2811.) Das Heft enthält die Bezeichnung aller Sätze der Werke Op. 20, 21, 36, 55, 60, 67, 68, 92 und 93. Sämmtliche Bezeichnungen sind in die Breitkopf und Härtel’sche Gesammt-Ausgabe der Werke Beethoven’s aufgenommen worden. Die Tempo-Bezeichnungen der ersten acht Symphonien sind auch abgedruckt in einer Beilage zur Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 17. December 1817 mit der Ueberschrift: »Die Tempo’s sämmtlicher Sätze aller Symphonien des Herrn L. v. Beethoven, vom Verfasser selbst nach Maelzels Metronom bestimmt«. Eine Angabe der Tempi ist also hier überflüssig.

Bald darauf (spätestens 1819) erschien als Fortsetzung ein zweites Heft. Ein Exemplar davon war nicht zu erlangen. Wir haben davon nur Kenntniss durch ein von Steiner u. Comp, im Jahre 1823 ausgegebenes Verlags-Verzeichniss, und dann durch Andeutungen, die sich an verschiedenen Orten zerstreut finden. In erwähntem Verlags-Verzeichniss sind beide Hefte unter der Rubrik »Zeitmass-Verzeichnisse nach Mälzel’s Metronome” angeführt wie folgt:
»Beethoven, L. v. Sinfonien Nr. 1—8,
1. Lieferung . . . 10 x.
——-, Quartetten u. Quintetten Nr. 1—11,
2. Lieferung . . . 10 x.«
Das zweite Heft enthielt demnach die metronomische Bezeichnung der Streichquartette Op. 18, 59, 74 und 95, wahrscheinlich auch die der beiden Quintette Op. 4 und 29. Einiges aus beiden Heften wurde aufgenommen in ein »Thematisches Verzeichniss« der Instrumental – Compositionen Beethoven’s, welches im Jahre 1819 bei Friedr. Hofmeister in Leipzig erschien mit dem Beisatz : »Mit dessen eigenen Tempobezeichnungen nach Mälzl’s [sic] Metronome«. Die metronomischen Bezeichnungen, die sich hieraus und aus andern, zum Theil geschriebenen Vorlagen gewinnen liessen, stellen wir, wenn auch unvollständig und mit Zweifeln an der Richtigkeit einiger Angaben, hier zusammen.
1) Quartett in F-dur, Op. 18, Nr. 1. Erster Satz: Allegro con brio = 54.
2) Quartett in G-dur, Op. 18, Nr. 2. Erster Satz: Allegro,  ♩ = 96.
3) Quartett in D-dur, Op. 18, Nr. 3. Erster Satz: Allegro, = 120.
4) Quartett in C-moll, Op. 18, Nr. 4. Erster Satz: Allegro ma non tanto, = 84.
5) Quartett in A-dur, Op. 18, Nr. 5. Erster Satz: Allegro, ♩. = 104.
6) Quartett in B-dur, Op. 18, Nr. 6. Erster Satz: Allegro con brio, = 80.
7) Quartett in F-dur, Op. 59, Nr. 1. Erster Satz: Allegro, = 88. Zweiter Satz: Allegretto vivace e sempre scherzando, ♩.= 56. Dritter Satz: Adagio molto e mesto, = 88. Vierter Satz: Allegro (beim Thème russe) ♩ =126; Adagio ma non troppo (Takt 19 vor Schluss) ♪ =69: Presto (Takt 9 vor Schluss) ♩ = 92.
8) Quartett in E-moll, Op. 59, Nr. 2. Erster Satz: Allegro, ♩. = 84. Zweiter Satz: Molto Adagio, ♩ = 60. Dritter Satz: Allegretto, = 69. Vierter Satz: (Finale) Presto, = 88.
9) Quartett in C-dur, Op. 59, Nr. 3. Erster Satz: (Introduzione) Andante con moto, ♩ = 69: Allegro vivace, = 88.
10) Quartett in Es-dur, Op. 74. Erster Satz: Poco Adagio, ♩ = 60; Allegro, = 84. Zweiter Satz: Adagio ma non troppo, = 72. Dritter Satz: Presto, = 100: Più presto quasi prestissimo, = 100. Vierter Satz: Allegretto con Variazioni, ♩ = 100; Un poco più vivace (zu Anfang der letzten Variation) . = 76;   Allegro (die letzten 11 Takte) = 84.
11) Quartett in F-moll, Op. 95. Erster Satz: Allegro con brio,  = 92.
Von ändern gedruckten Werken lassen sich nun noch folgende namhaft machen.
1) Neunte Symphonie, Op. 125. Beethoven schickte dem Verleger die metronomische Bezeichnung, als die Partitur schon erschienen war, am 13. October 1826. Veröffentlicht wurden die Tempi in der »Cäcilia« vom December 1820 (Bd. 6, S. 158).
2) Fuge für fünf Streichinstrumente, Op. 137. Das Autograph hat die metronomische Bezeichnung: ♩. = 63.
3) Sonate für Pianoforte in B-dur, Op. 106. Beethoven versah die 1819 bei Artaria in Wien erschienene Ausgabe mit metronomischer Bezeichnung. Auch theilt er sie F. Ries mit in einem Briefe vom 16. April 1819. (S. Wegeler’s und Ries’ »Biographische Notizen« Seite 148.)
4) Meeresstille und glückliche Fahrt, Op. 112. Eine revidirte Abschrift hat metronomische Bezeichnungen von Beethoven’s Hand. (Beim Sostenuto: ♩ = 84; beim Allegro vivace: ♩. = 138.)
5) Opferlied, Op. 121b. In einer im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindlichen geschriebenen Partitur findet sich zu Anfang von fremder Hand die Bemerkung: »M. M. ♩ = 66 nach des Verfassers Angabe«.
6) Gesang der Mönche (:Rasch tritt der Tod u. s. w.) für drei Männerstimmen. Das Autograph hat angeblich die Bezeichnung: M. M. ♪ = 126.
7) Resignation (:Lisch aus, mein Licht u. s. w.), Lied für eine Singstimme mit Pianoforte-Begleitung. Der erste Druck hat die metronomische Bezeichnung: ♪ = 76.
8) Abendlied unter’m gestirnten Himmel (:Wenn die Sonne niedersinket u. s. w.) für eine Singstimme mit Pianoforte-Begleitung. Das Original-Manuscript ist bezeichnet: »Mälzel’s Metronom ♩ = 76«.

9) Kanon auf Mälzel (:Ta ta ta ta u. s. w.). Schindler hat (vgl. seine »Biographie«, 3. Aufl. I, 195) diesen Kanon mit der Bezeichnung “M. M. 72 = ♪” und mit der Bemerkung veröffentlicht, Beethoven habe ihn im Frühjahr 1812 »improvisirt«. Das kann nicht ganz richtig sein. Im Text des Kanons kommt das Wort »Metronom« wiederholt vor; auch kann jene Tempo-Bezeichnung nur auf Mälzel’s Metronom gedeutet werden. Nun gab es aber im Jahre 1812 noch keinen »Metronom«; wenigstens hiess der Taktmesser, mit dem sich Mälzel damals beschäftigte, nicht so. Der Taktmesser, mit dem er sich damals beschäftigte, hiess »Chronometer«. Der Metronom und sein Name kam erst im Jahre 1815 auf ). Nun ist es wohl möglich, dass der Kanon i. J. 1812 entstand: dann kann aber das Wort »Metronom« nicht darin vorgekommen sein. So, wie wir den Kanon kennen, kann ihn Beethoven frühestens 1815 geschrieben haben. Damit lässt sich Schindler’s Angabe (S. 197), er sei um 1818 durch Abschrift in den Besitz des Kanons gekommen, in Einklang bringen. Die angegebene metronomische Bezeichnung aber scheint Schindler dem zweiten Satz der achten Symphonie entnommen zu haben.

Beethoven wollte auch die zweite Messe metronomisch bezeichnen. Er schreibt wiederholt davon an den Verleger Schott in Briefen vom October 1826 bis Februar 1827, scheint aber nicht zur Ausführung seines Vorhabens gekommen zu sein. Auch einige andere Werke, z. B. einige der letzten Pianoforte-Sonaten, sollten eine metronomische Bezeichnung erhalten. Es scheint aber auch daraus nichts geworden zu sein.

Die Anzahl der von Beethoven metronomisirten Werke ist, wie unsere Zusammenstellung zeigt, an sich nicht unbeträchtlich. Dass bei weitem nicht alle Werke bezeichnet, sind, ist wohl zum Theil aus der besonderen Beschaffenheit mancher Compositionen, bei denen des oft wechselnden Tempos wegen eine Metronomisirung nicht gut durchführbar ist, zum Theil aus der ganzen künstlerischen Natur Beethoven’s zu erklären. Es wird berichtet, dass Beethoven seine Compositionen mit einer gewissen Taktfreiheit vortrug und vorgetragen haben wollte 9*). Da ist es denn wohl denkbar, dass es ihm nicht immer zusagte, für etwas Schwankendes eine feste Formel zu suchen, und dass er auch mit Absicht bei manchen Werken eine metronomische Bezeichnung wegliess.

Man wird einen Theil der metronomischen Tempo-Bestimmungen Beethoven’s dem Charakter der bezeichneten Stücke nicht ganz angemessen finden. So erscheinen uns namentlich einige symphonische Sätze zu schnell metronomisirt 10*). Vielleicht ist die Erscheinung durch die Annahme erklärbar, Beethoven habe die Metronomisirung am Claviere vorgenommen und sei hier zu Angaben gekommen, die er im Concertsaal schwerlich vertreten würde. Immerhin können die vorhandenen Bezeichnungen vor Missgriffen schützen und in zweifelhaften oder streitigen Fällen einen Anhaltspunkt bieten. Wenn wir z. B. über das Tempo des zweiten und dritten Satzes der achten Symphonie in Zweifel sind und meinen, der zweite Satz müsse, als eigentliches Scherzo der Symphonie, verhältnissmässig rasch, der dritte Satz aber, als Gegensatz des Scherzos, langsam genommen werden: so verschafft uns der Metronom den schlagenden Beweis, dass Beethoven sich die Viertelnoten im zweiten Satz (Allegretto scherzando ♪ = 88) beinahe dreimal langsamer dachte, als die Viertelnoten im dritten Satz (Tempo di Menuetto ♩ = 126), dass also der zweite Satz der langsamere ist. Beethoven’s Bezeichnung des ersten Satzes der Symphonie in C-moll, (Allegro con brio = 108) entkräftet auch eine Mittheilung Schindler’s (Biogr., 1. Ausg. S. 241), nach welcher Beethoven für die ersten fünf Takte ein langsameres, nämlich »dieses Tempo:  ♩ = 126, ungefähr ein Andante con moto«, festgesetzt habe. Beethoven würde gewiss das wechselnde Tempo, wenn er es gewollt, bei der Metronomisirung angegeben haben.

Von den von Beethoven metronomisirten Clavier-Compositionen lässt sich nur die Sonate Op. 106 namhaft machen. Wenn dieser Mangel fühlbar sein sollte, so kann die von C. Czerny im vierten Theil seiner Pianoforte-Schule unternommene Bezeichnung der Werke für Pianoforte mit und ohne Begleitung einigermassen Ersatz bieten. Wenn auch nicht auf authentische Gültigkeit, so kann diese Bezeichnung doch Anspruch auf einiges Vertrauen machen, namentlich bei denjenigen Werken, von denen wir wissen, dass Czerny sie entweder von Beethoven spielen hörte oder unter seiner Leitung studirte 10*). Czerny sagt (S. 35 u. 121), er habe sich bestrebt, nach seiner besten Erinnerung überall durch den Mälzel’schen Metronom »das Zeitmass zu bezeichnen, welches Beethoven selber zu nehmen pflegte«. Wer C. Czerny persönlich gekannt hat, wer seine vorzüglich auf das Praktische gerichtete Natur zu beobachten Gelegenheit hatte, der wird ihm die Fähigkeit, sich ein gehörtes Tempo fest einzuprägen, zugetraut, und die Sicherheit bemerkt haben, die er in derartigen, von aussen fassbaren musikalischen Dingen hatte.

Auch der Erfinder des Metronoms kann als Bezeichner herangezogen werden. Beethoven hat bekanntlich im Jahre 1813 für Mälzel’s Panharmonikon (ein mechanisches Orchester, aus 720 Pfeifen bestehend u. s. w.) ein Stück Schlacht-Symphonie (genauer: Sieges-Symphonie) geschrieben 12*). Später hat er das Stück für Orchester bearbeitet und in seine »Schlacht bei Vittoria« (Op. 91) aufgenommen, wo es mit einer vorgesetzten kurzen Einleitung von acht Takten die zweite Abtheilung (oder Sieges-Symphonie) bildet. In dem Manuscript, welches die für Mälzel bestimmte Bearbeitung enthält, finden sich von fremder, aber ohne Zweifel von Mälzel’s Hand folgende, auch auf die Bearbeitung für Orchester anwendbare metronomische oder vielmehr chronometrische 13*) Bezeichnungen: beim Allegro con brio (Breitkopf und Härtel’sche Partitur der »Schlacht bei Vittoria« S. 49): = 128.- Andante grazioso (Partitur S. 56): ♩ = 92. – Tempo di Menuetto moderato (Part. S. 65): ♩ = 96. – Allegro (Part. S. 68): ♩. = 120. Unwahrscheinlich ist es nicht, dass diese Tempi nach Beethoven’s Angabe beigefügt wurden.

1*) In der Wiener Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 6 Februar 1817 finden wir Beethoven’s Namen unter den Namen anderer »berühmter Meister, welche diese Erfindung gutgeheissen« und sich »verpflichtet« haben, »ihre künftigen Compositionen nach der Scala des Mälzel’schen Metronoms zu bezeichnen«.
2*) Die Wiener Allgemeine Musikalische Zeitung vom 14. Februar 1818 enthält eine von Ludwig van Beethoven und Anton Salieri unterschriebene Erklärung, welche beginnt: »Mälzels Metronom ist da! — Die Nützlichkeit dieser seiner Erfindung wird sich immer mehr bewähren; auch haben alle Autoren Deutschlands, Englands und Frankreichs ihn angenommen; wir haben aber nicht für unnöthig erachtet, ihn zufolge unserer Ueberzeugung auch allen Anfängern und Schülern, sey es im Gesange, dem Pianoforte oder irgend einem andern Instrumente, als nützlich, ja unentbehrlich anzuempfehlen. Sie werden durch den Gebrauch desselben auf die leichteste Weise den Werth der Note einsehen« u. s. w.
3*) »Die metronomische Scale ist auf die Eintheilung der Zeit in Minuten gegründet.  Alle diese Nummern (50, 52, 54 u. s. w. bis 160) beziehen sich auf eine Zeitminute; befindet sich das Gewicht bei der Zahl 50, so wird man in einer Minute 50 Schläge erhalten, wenn bei 60, (60 Schläge« u. s. w. (Wiener Allgemeine Musikalische Zeitung vom Jahre 1817, S. 42, 50). — » Ces numéros indiquent le nombre de vibrations du balancier dans un minute. Conséquemment les numéros 50, 60, 80, 100 etc. indiquent que si le contre-poids est mis au niveau d’ un de ces numéros, le Métronome donne 50, 60, 80, 100 etc. vibrations ou coups par minute«. (Notice sur le Metronome de J. Maelzel. Mai 1818, P. 5.) — Uebrigens meinen wir überall den laut schlagenden Metronom, den von der besseren Art.  Einen solchen besass auch Beethoven.
4*) Angeführt ist sie in Hoffmeister’s Monatsbericht vom November und December 1831.
5*) In der ersten Ausgabe seiner Biographie nennt Schindler (S. 213) wieder andere Werke, darunter die Sonaten Op. 109, 110,und 111, welche aber nicht von Beethoven bezeichnet sind.  Jedenfalls haben wir hier wieder einen Beweis von Schindler’s Unsicherheit.
6*) In einem am 18. März 1827 dictirten Briefe an Moscheles heisst es: »Die metronomisirte neunte Symphonie bitte ich der philharmonischen Gesellschaft zu übergeben. Hier liegt die Bezeichnung bei«. Vergl. Schindler’s »Biographie« II, 141.
7*) Vgl. Schindler a. a. O. II, 247.
8*) Schindler a. a. O. II, 250 ff.
9*) In der Wiener Modenzeitung vom October 1816 findet sich S. 366 eine Correspondenz aus Paris, worin es heisst: »Herr Maelzel arbeitet an einem neuen Instrument, welches er Métronome nennt« In der Wiener Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom 23. October 1817 werden »Mälzel’sche Metronome« als eine »neue Erfindung« zum Verkauf angezeigt. In der früher angeführten kleinen Schrift »Notice sur Ie Métronome« heisst es S. 4: »Le Métronome est connu depius 1815″ Auch ist auf allen Malzel’schen Metronomen, die wir gesehen haben, die Jahreszahl 1815 angebracht.
10*) Schindler erzählt (Biogr., 1. Ausg. S. 228): »Was ich selbst von Beethoven vortragen hörte, war mit wenig Ausnahme stets frei  alles Zwanges im Zeitmasse; ein Tempo rubato im eigentlichsten Sinn des Worts …. Seine älteren Freunde versicherten, dass er diese Vortragsweise erst in den ersten Jahren seiner dritten Lebensperiode [also in der Zeit nach Erfindung des Metronoms] angenommen«. Vergl. auch 3. Ausgabe von Schindler’s »Biographie« II, 226 f.; Ries’ »Notizen« S. 106.
11*) Bei der gar schnellen Bezeichnung des letzten Satzes der vierten Symphonie (Allegro ma non troppo  = 80) ist wohl ein Fehler anzunehmen.
12*) Zu diesen Werken gehören die Sonaten Op. 13, Op. 14 Nr. 1 und 2, Op. 31 Nr. 2, Op. 101; das Andante der Sonate Op. 28; das Trio Op. 97; die Concerte in C-dur, C-moll, G-dur und Es-dur; die Phantasie mit Chor u. a. m.
13*) Vgl. Schindler’s »Biographie«, 3. Aufl. I, 235; II, 341; »Thematisches Verzeichniss der im Druck erschienenen Werke Beethoven’s«, 2. Aufl. S. 89.
14*) Zur Zeit der Bezeichnung (1813) hiess, was schon oben bemerkt wurde, Mälzel’s Taktmesser noch Chronometer: Die Scala des Chronometers war aber ebenso wie die des spätrn Metronoms auf die Theilung einer Minute begründet. Eine Bezeichnung nach der einen oder andern Maschine ist also gleichbedeutend. Eine Beschreibung des Mälzel’schen Chronometers findet man in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Jahre 1813 S. 785 und in der Wiener Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Jahre 1813 S. 623.

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