Gustav Nottebohm – Beethoveniana – VII – Das Tempo des zweiten Satzes der siebenten Symphonie (Op. 92). (Seite 21)

Aufsätze und Mittheilungen von Gustav Nottebohm
Leipzig, Verlag von C. F. Peters 1872

Beethoven hat dem zweiten Satz der Symphonie in A-dur die Bezeichnung: »Allegretto q= 76« gegeben. Schindler erzählt nun Seite 210 der ersten Ausgabe seiner Biographie: »Bei einer der Aufführungen dieser Symphonie in den letzten Lebensjahren Beethoven’s bemerkte dieser mit Unwillen, dass dieser Satz (Allegretto) ungemein rasch genommen, daher dessen Charakter ganz zerstört wurde. Er glaubte dem Vergreifen dieses Tempo dadurch abzuhelfen, wenn er es in Zukunft mit Andante quasi Allegretto bezeichne, mit Beifügung des Metronoms q= 80, wie ich es in seinem Notaten-Buche angezeigt besitze«. Schindler widerspricht sich hier selbst. Offenbar bedeutet »Andante quasi Allegretto« ein langsameres Zeitmass, als »Allegretto«; umgekehrt schlägt aber ein Metronom, wenn er auf 80 gestellt wird, schneller, als wenn er auf 76 gestellt wird. Schindler scheint den Widerspruch später bemerkt zu haben; denn in der dritten Ausgabe seiner Biographie hat er die Sache anders dargestellt. Er sagt hier (I, S. 192) nämlich: »Auf die ursprüngliche Benennung des zweiten Satzes dieser (siebenten) Symphonie mit Andante ist besonders aufmerksam zu machen. Erst in den gedruckten Stimmen erschien dessen Vertauschung mit Allegretto, das aller Orten Missverständnisse zum Nachtheil des Charakteristischen erzeugt hat. In späteren Jahren empfahl darum der Meister wieder die erstere Benennung«. Aber auch die Behauptung, erst in den gedruckten Stimmen habe der Satz die Bezeichnung »Allegretto« erhalten, ist nicht richtig; denn in den vorhandenen geschriebenen Stimmen, welche älter sind als die gedruckten und welche am 8. und 12. December 1813 bei den unter Beethoven’s Leitung stattgefundenen ersten Aufführungen der Symphonie gebraucht wurden*), steht und hat von Anfang an über dem zweiten Satze kein anderes Wort gestanden als: »Allegretto«.
Wahr an der Sache mag sein, dass Beethoven sich den Satz langsamer dachte, als er ihn in späteren Jahren aufführen hörte, und dass er sich in diesem Sinne aussprach. Dass Beethoven selbst den Satz in einem relativ langsamen Tempo nahm, geht aus einigen Mittheilungen hervor. Die Wiener »Friedensblätter« vom 6. Decemher 1814 berichten über ein von Beethoven gegebenes Concert, in welchem die Symphonie in A-dur zur Aufführung kam; und in diesem Bericht ist von dem zweiten Satze genannter Symphonie als von »einem einfachen Adagio aus A-moll« die Rede, was nicht zu erklären wäre, wenn das Stück auf den Berichterstatter nicht den Eindruck eines Adagios gemacht hätte. In einem Bericht in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung, Bd. XVI, Nr. 4, wird der Satz als »Andante« erwähnt. Auch nahm L. Spohr, der bei den ersten Aufführungen der Symphonie unter Beethoven’s Leitung mitwirkte, den Satz in einem ziemlich langsamen Tempo. In der »Neuen Zeitschrift für Musik« vom Jahre 1840 wird (S. 180) das von ihm genommene Tempo mit “M. M. q = 72″ angegeben. Das ist die langsamste von allen vorhandenen metronomischen Bezeichnungen. Die schnellste Bezeichnung (M. M. q= 88) aber ist die in der Ende 1831 bei T. Haslinger in Wien erschienenen Partitur, von welcher Schindler (Biogr., 3. Aufl., II, 250) irrig behauptet, die darin enthaltenen metronomischen Tempo-Bestimmungen rührten von Beethoven her.
Was Schindler fälschlicher Weise von dem zweiten Satz der siebenten Symphonie behauptet, trifft einigermassen bei dem zweiten Satz der sechsten Symphonie zu. Dieser Satz hatte nämlich anfangs die Bezeichnung: »Andante molto moto, quasi Allegretto«. Später jedoch wurde das  “quasi Allegretto” beseitigt.
*) Vorhanden sind im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 24 Stimmen. Auf einer Stimme liest man noch das von der Hand eines Mitwirkenden bemerkte Datum: »Wien den 12. Decbr. 1813«.

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